14. Juli 2013

Im Zeitalter der Informationsüberflutung angekommen

(Johann Weilharter, 13. Juli 2013)

Als Pensionist habe ich Zeit, über die offensichtliche Informationsüberflutung (http://de.wikipedia.org/wiki/Informationsüberflutung) nachzudenken. Die bereitet nämlich Probleme.

Harmloser Beginn

Aus der Kindheit, in der zweiten Hälfte der Fünfziger-Jahre des vorigen Jahrhunderts, ist das Mittelwellen-Radio, ein Röhrengerät, das erst „warm werden“ musste, bevor es meist knacksend Informationen von sich gab, in Erinnerung. Eine Bundesland-übergreifende Regionalzeitung kam einmal pro Woche ins Haus (da konnte ich anfänglich nur Bilder anschauen). In den Kindergarten zu gehen, war damals eher nicht üblich und es hat mir nicht nachweislich geschadet, dass ich mich in dieser Zeit mit Pflanzen und Tieren auf dem Bauernhof beschäftigen konnte. Vergleichbare Informationen erhalte ich heute, wenn ich im Fernsehen „Universum“-Filme ansehe.

Schule sollte nicht Informationsüberflutung sein.

Wichtig war der Schuleintritt. Da hieß es „Lesen lernen“ und „schön schreiben“. Das Abenteuer Lesen wurde möglich. Alpensagen und Karl May Bücher haben mich beeindruckt. Die Informationen, die wir in Volks- und Hauptschule bzw. im Oberstufen-Realgymnasium aufnehmen und verarbeiten mussten, blieben in überschaubarem Rahmen. Einiges blieb dauerhaft im Gedächtnis gespeichert – z.B. ein Gedicht aus der ersten Volksschulklasse oder die Ringparabel aus dem Gymnasium. Plattenspieler und Kassettenrekorder, aber vor allem das UKW-Kofferradio kamen nach und nach ins Haus. Der erste Fernsehapparat, nur Schwarz-Weiß, konnte gerade ein einziges Programm empfangen. Taschenrechner waren in meiner Schulzeit bis zur Matura noch unüblich, da viel zu teuer. Ein programmierbarer Taschenrechner kostete 1971 ATS 60.000,-- .

Ungetüm Computer

An der Technischen Universität lernte ich rechnende Ungetüme namens Computer kennen und programmieren. Die Programme wurden in Lochkarten gestanzt, auf Formularen codiert oder mit Kabelverbindungen gesteckt. Ich hätte nie gedacht, dass solche Rechner mein weiteres Leben beeinflussen würden. 1978 begann an der HAK Tamsweg (mein Arbeitsplatz) das Computerzeitalter. Computer sind tolle Werkzeuge für Mathematiker (wie mich). So lange sie mit keinem Netzwerk verbunden sind, sind sie auch einigermaßen harmlos.

Informationsproduktion

Zum Schreiben eines Lehrbuches über „Strukturiertes Programmieren“ erwies sich meine Schreibmaschine als wenig tauglich. Da die damaligen Schulcomputer höchstens 20 Seiten Manuskript bewältigten, war klar: ich musste einen leistungsfähigeren Computer mit einem Textverarbeitungsprogramm kaufen. Der legendäre Sirius 1 von Victor Technologies mit zwei Diskettenlaufwerken, einer der ersten Personalcomputer, hatte keine Festplatte und war teurer als mein damaliges Auto. Aber er hatte bereits Sprachausgabe und sagte von sich selbst beim Einschalten: „Du wirst sehen, ich bin der Größte“. Umfangreiche Berechnungen haben manchmal bis zu zehn Stunden gebraucht. Jedenfalls war das Buch, das ich mit ihm geschrieben habe, erfolgreich. Weitere Bücher folgten. Textverarbeitungsprogramme sind bis heute der wichtigste Grund einen oder mehrere Computer zu haben.

Ich befasste mich in der Folge auch mit dem Einsatz von Computern in der Wirtschaft durch Gründung und Betrieb eines EDV-Unternehmens. Die Telematikinitiative Lungau hatte 1994 große Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, vor allem durch Internettechnologien, weil man dadurch die Verlagerung von Arbeiten in die „entlegene“ Region erhoffte. Das ist nicht eingetreten, eher das Gegenteil. Manchmal verbrauche ich heute viel Zeit mit E-Government Anwendungen, wenn ein Amt bzw. eine Behörde nicht im Lungau ist.

Internet brachte Informationsflut

Anfangs kam sie langsam, die Informationsflut. Schlechte Leitungen und teure und deshalb wenige Endgeräte waren wohl der Grund dafür. Aber das Internet war eine Chance, an Informationen heranzukommen, die wir sonst nicht gehabt hätten. Internationale Schulprojekte wurden möglich. Mit der Telebox von Radio Austria und den späteren E-Mail-Systemen haben sich die Kommunikationsmöglichkeiten drastisch verändert. Nicht immer zum Besten. Man bekommt auch viele unerwünschte Nachrichten und die Postämter sind aus fast allen Gemeinden im Lungau verschwunden.

Der Preisverfall und die Verkleinerung der Endgeräte zogen ein drastisches Anschwellen der Informationsflut nach sich. Notebooks, Netbooks oder Tablet PCs sind in vielen Haushalten verfügbar. Computer sind nicht mehr nur Rechner, wie ihr Name sagt, sondern gewaltige Informationsmanagement-Systeme. Selbst die heutigen Telefone (Smartphones http://de.wikipedia.org/wiki/Smartphone) gehören dazu. Um die meisten Funktionen eines Android-Tablets oder Smartphones herauszufinden, war bei mir ungefähr ein Jahr notwendig.

Wie schaut ein Tagesablauf im Zeitalter der Informationsüberflutung aus?

Ich bin nach wie vor ein Mittäter in der Erzeugung von Informationen, allerdings ist es schwierig geworden für Bücher Verleger zu finden. Ich mache Webseiten und schreibe Blogs. Vieles davon sind Beiträge zu einem internationalen Computer Algebra Projekt. Verdienen kann man damit nichts. 

Es ist wieder besonders bewusst geworden, dass unsere Informationen im Internet weltweit (auch von öffentlichen Stellen) missbraucht werden.

Ein Netbook steht in meinem Büro, angeschlossen an einen großen Bildschirm. Der daneben liegende Tablet PC auf Android-Basis verbindet mich über einen Hotspot in das Internet. Ein älteres Notebook gibt es auch. Dieses kann man auch als Tablet PC verwenden und es hat einen sehr guten Schreibstift. Damit kann man bequem handschriftliche Eintragungen machen.

Die Google Software wird auf dem Netbook gestartet, wenn ich den Browser aufrufe, weil ich das als Startseite eingestellt habe. Dort wähle ich zuerst das E-Mail-Programm. Weil man meine E-Mails und Webseitenaufrufe analysiert hat und deshalb weiß, dass ich häufig universitäre Seiten aufrufe, regt man in einer Werbungszeile an, dass ich mich für einen Bayrischen Forschungspreis bewerben soll. Möglicherweise weiß man auch, dass ich vor kurzer Zeit in München war. Die uninteressanten E-Mails wandern in den Papierkorb, andere werden gelesen und entweder gelöscht oder zur Weiterverarbeitung markiert bzw. eingeordnet. Am Ende der Arbeit sollte der Posteingang jedenfalls leer sein. Im Newsletter vom Informatikserver in Graz erfahre ich, dass es eine neue kostenfreie Lernplattform gibt. Das interessiert mich, bedeutet aber einen Zeitverbrauch von einer Stunde, um dann festzustellen, dass ich das heruntergeladene Programm nicht installieren kann. Newsletter sind Zeitfresser. Nach meiner Pensionierung habe ich die meisten abbestellt.

Eine Reihe von Zahlungsbestätigungen habe ich noch im Posteingang. Ich sollte sie endlich ausdrucken, um sie herkömmlich abzulegen. Telebanking mache ich schon lange nicht mehr. Das meiste läuft ohnehin über Daueraufträge oder Abbuchungsaufträge. Den Rest erledige ich bei Besuchen meiner örtlichen Bank.

Ein Blick auf den Terminkalender zeigt, dass ein Termin heute nicht stattfindet, einen anderen habe ich versehentlich nicht eingetragen (aber auch so nicht vergessen).

Der darauf folgende Blick auf Facebook trägt auch zum Zeitverbrauch bei. Der Chef der örtlichen Baustoffproduktion verschickt Fotos von diversen Baustellen auch aus dem angrenzenden Ausland. Ich markiere „Gefällt mir“ und teile das Foto. Ich habe 1969 in dieser Fabrik gearbeitet. Ein Facebook Neuling produziert eine Meldung nach der anderen. Ich muss einstellen, dass seine Informationen nicht mehr in den Neuigkeiten angezeigt werden. Eine Schülerin schickt ein Foto von einer Rechnung in den Facebook Nachrichten in der Hoffnung auf meine Hilfe. Sie bekommt diese Hilfe. In den Facebook Gruppen, wo ich dabei bin, tut sich nicht viel. Das ist typisch für solche Communities. Aber man kann solche Gruppen ja verlassen.

Der Briefträger bringt Post. Einen Brief und die Zeitungen. Meine Lebensgefährtin trägt seit kurzem einen akademischen Grad. Diese Veränderung im zentralen Melderegister findet man schon auf dem Werbeschreiben.

Ich lese die Zeitungen und schaue ausgewählte Artikel in den Online-Versionen an. Hier gibt es eine Informationsflut-Falle, nämlich die Leserkommentare, oft einige Hundert. Da ich anonyme Meinungskundgebungen nicht mag, verwende ich meinen wirklichen Namen, wenn ich etwas dazu schreibe. Ich bin aber nicht sicher, ob das günstig ist. Es wird auch missbraucht. Man hat mir schon mehrmals Probe Abos bereits abonnierter Zeitungen angeboten. Als Leser der Online Zeitung gehört man zu einer interessanten Zielgruppe.

Die Macht der veröffentlichten Meinung hat enorm zugenommen. Das ist problematisch für die Demokratie und fördert Opportunismus.

Es besteht die Gefahr der Uninformiertheit, weil man mit der Informationsflut nicht mehr klar kommt!

Die Speicherkapazität von Computern ist enorm angestiegen. Datenfriedhöfe gab es auch früher schon (sogar in Form von Papierstapeln oder auch Bibliotheken), jetzt gibt es sie auch auf den Computern am Schreibtisch. Viele Informationen werden archiviert, die man dann ohnehin nur mehr zufällig wieder findet. Externe Festplatten, USB-Sticks leisten Vorschub. Gute Suchmaschinen helfen Informationen zu finden. Aber oft weiß man gar nicht mehr, wonach man eigentlich suchen könnte. Auch auf lokale Datenträgern.

Die Google Brille (http://de.wikipedia.org/wiki/Google_Glass) ist ein Beispiel für eine ganz bedenkliche Entwicklung. Aus der Informationsflut wird eine Informationshochwasser-Katastrophe werden.

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